Während der Swinging Sixties gab es ein paar Jahre, in denen maximaler Pop und maximales Experiment zueinander fanden: In diesem Geist entstanden die späten Beatles-Alben und natürlich der legendäre Geniestreich „Pet Sounds“ der Beach Boys. Wahrscheinlich hätten letztere mit der Nachfolgeplatte „Smile“ den Vogel endgültig abgeschossen, doch die Vetternwirtschaft um Brian Wilson versackte im LSD-Rausch, so dass die sagenumwobene Platte nie das Licht der Öffentlichkeit erblickte - sei’s drum, denn inzwischen gibt es ja Deerhoof aus San Francisco. Nun handelt es sich bei dem Quartett mitnichten um streng riechende Althippies, sondern um äußerst frische Twenty-Somethings inklusive einer wirklich entzückenden japanischen Sängerin, deren Falsettgesang Steine erweichen könnte. Was sie mit der hysterischen Phase der Spätsechziger verbindet, ist der Hang dazu, die große Melodie und das totale Chaos eng nebeneinander zu führen: Da werden die Dinge fast routiniert auf den Kopf gestellt, und ob die nächste Sekunde eine wunderbare Harmonie oder einen dissonanten Anschlag auf das Nervenkostüm bereit hält, das weiß man nie. Deerhoof strahlen dabei keinerlei Dilettantismus aus, eher hat man den Eindruck, dass ihre Musik nach strengen Regeln funktioniert - nur, dass ihre Regeln nicht von dieser Welt sind. „Milk Man“ versammelt elf schräge und bezaubernde Hits, die man lieber nüchtern hören sollte.
AS
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