Tom Ridge, :The Wire, Mai 2004
Brevity characterises this Hamburg group's second album. The succession of
tracks are like a series of musical snapshots with simple grooves and gently
twanging guitars. Jullander succeed where so many others fail because they
work so well within the tight confines of their brief. It really out to be
late in the day for post-rock, or certainly for the kind of post-rock
Jullander are inheritors of, with its nods towards jazzy MOR, but strangely
they pull it off. The songs are pared back and compact, with the occasional
sparing addition of saxophone and synths. Ultimately you might wonder how
much further they can take this, but the almost self-effacing nature of
their music unexpectedly resonates.
Julian Weber, :Szene Hamburg, September 2003
Sind wir doch mal ehrlich: „Diskursrock“, das Unwort des Jahres 1994 und das, was später zu einer Professionalisierung der deutschen Indie-Kultur führte, hat auch zur Debatte über die Einführung einer Quote für „deutsche Musik“ sein Scherflein mit beigetragen. Wenn heute eine dieser berufslarmoyanten Wertarbeiten made in Germany in Dauerrotation im Musikfernsehen läuft, hilft das dem Standort, ist aber irgendwie auch öde. Wer kann, schaltet um, zum Beispiel zu Alexander Kluge, dem Nutty-Professor der dualen Fernsehlandschaft.
An Kluges unbestechliche Erzählweise und die mäandernden Bewusstseinsströme erinnert die Hamburger Band Jullander. Gesang ist bei ihnen eine näselnde Kopfstimme, die trocken moderiert, Bilder findet, sich auch willentlich im Dickicht des Wissens verzettelt. Mit ihrer im weitesten Sinne dokumentarischen Sicht auf Rockmusik umschiffen Jullander aber die eigenen Klippen der Herkunft so brilliant lakonisch und gleichzeitig brachial uns nervös, auf dass alte Hierarchien durcheinander geraten mögen. „Interiors“, ihr zweites Album, ist das Gegenteil von selbstzufriedener Besitzstandswahrung und riskiert den Blick über den Tellerrand. In den Jullander-Songs stecken enorm viele Details, die, scheint’s, schein beim Erfinden und Produzieren mit in den Prozess des Musikmachens eingeflossen sind. Trotz aller Traditionsbrüche, trotz aller strategischer Überlegungen – honkende Saxofone hier, elektronische V-Effekte da – geht es auf „Interiors“ noch stets um Energie, um die simple Losung vom Rock’n’Roll als gemeinsames Auf-den-Boden-spucken. Aus der ganzen Ernsthaftigkeit entsteht aber gerade auch Spaß, ein kratziges Ablachen über die großen Gemeinheiten, die der Alltag so parat hat: „Der Herr vom Filmressort arbeitet jetzt an der Popcornmaschine“ ist der heimliche Hit der Platte, ein Song, der wie ein Mittagstischgespräch in einer Betriebskantine aufgebaut ist und hoffen lässt, dass da noch mehr gute Titel und Riffs im Schrank stehen.
Uwe Viehmann, :Spex, September 2003
Gedächtniscracks schaffen es, im Vergleich zum Otto-Normal-Bürger, sich Dinge von meist erschreckender Komplexiät in der bis zu 60-fachen Geschwindigkeit zu merken. Dennoch sind sie nicht zwangsläufig Genies, verfügen eher über bestimmte Memoriertechniken, schöne Welt der „Memonik“. Was das mit Jullander zu tun hat? Die vierköpfige Band aus Hamburg bedient sich ebenfalls einer Art Gedächtnistraining, das im Ergebnis durch sanfte Wiederholungen in Arrangements – was die Stilistiken der musikalischen Elemente angeht – einen repetitiven Eindruck von Wissen vermittelt. Die bedacht vorgetragenen Songs bearbeiten auf der Basis von Gitarre, Bass, Schlagzeug unter Hinzunahme des ein oder anderen Bonusinstruments instrumentale Welten, wie sie in den Indie-Neunzigern topmodern gewesen sind, zwischen Chicago, Louisville, Oberbayern und München (Namen bleiben draußen, Orte gäbe es derer noch viele), immer an der Schnittstelle von Postrock und Popsong. Popsong deshalb, weil hier nichts nur sich selbst feiernd ausufert. Die Stücke sind knapp gehalten und relativ fokkusiert, nicht aber, ohne den Sounds, Melodiefragmenten und Rhythmen genug Freiraum zu lassen. Passend zum musikalischen Schwerpunkt wird nicht gesungen, sondern zumeist auf einer Textebene gearbeitet, die dankenswerterweise nicht immer (ver)bitter(t) ernst und trotz allen sprachlichen Talents bloß nüchtern, universitär klingt – eine Falle, in die Gitarrendeutschland durch die letzten 1000 Jahre immer wieder gerne getappt ist -, sondern auch den ein oder anderen (dann aber wenigstens gesellschaftskritischen, hüstel) unterhaltsamen Witz parat hält, mal erzählt, mal schauspielerisch vorgetragen. In „The New Look“ bedienen sich Jullander z.B. einer an die Monostars gemahnenden Singstimme, in „Behind The Scenes“ wird gar flüssig und auf englisch der Disco-Coctail geschüttelt...mehr davon!
Noch immer ist aber nicht klar, was Jullander weiterhin mit den eingans erwähnten Gedächtniscracks zu tun haben!? Ihnen ist es mit 60-facher Geschwindigkeit im Vergleich zu mittleren Langweilern degradierten Kollegen gelungen, das Hüftsteife, die Ernsthaftigkeit einer sich am Postrockphänomen abarbeitenden Generation von Jungs hinter sich zu lassen, zu vergessen, woran sie sich jahrelang aufgerieben haben. Wer dies schafft, kommt (letztendlich auch musikalisch) auf einem neuen Plateau an, auch ohne ein Genie zu sein. Auch Training zahlt sich manchmal aus. „Sind Erinnerungen etwas, das man behält oder etwas, das man verloren hat?“ Für Jullander sind es Grundlagen einer Forschung, die etwas vorweisen kann, was (Klang/Song/Phänomen)Forschern nicht immer gelingt: ein unterhaltsames Ergebnis – und auf dem Weg dahin haben sie nicht verkrampft, sondern sich locker gemacht.
„Interiors“ ist übrigens eine Gemeinschaftsproduktion von Beau Rivage (Charles Curtis, Kleine Wohnen...) und dem aktuell mächtig Gas gebenden Sunday Service-Label. Ein Referenzpunkt par excellence, in allen Belangen also!
René Margraff, :de:bug, September 2003
Jullander lösen sich auf ihrem zweiten Album noch mehr von irgendwelchen Math- und Post-Emo-HC-Anklängen à la June of 44. Chicago ist Chicago, Jullander kommen aber aus Hamburg und "Interiors" klingt locker und selbstbewusst. Jullander haben in den letzten zwei Jahren scheinbar einige Jazz- und Soulplatten gehört, bringen jede Menge Deepness und federnden Groove in ihren feingeknüpften Post-Postrock - C2003 sozusagen. Unverzerrte, perlende repetive Gitarrenläufe, runde Bassläufe, schöne Beckenteppiche, ein paar zusätzliche Instrumente und Gesang klangen schon lange nicht mehr so gut und obwohl hier nicht das Rad neu erfunden wird, spielen Jullander hier ganz lässig in einer Liga mit den anderen tollen neuen Platten (vgl. auch hIm) , die früher als Postrock denunziert worden wären, dabei aber doch viel mehr zu bieten haben, nicht nur "après danse".
Anja Schwartz, :alternativenation.de, September 2003
Manchmal ist man gelangweilt von der Musik, die einen umgibt. Alles hört sich gleich an, alles klingt wie schon mal da gewesen. Etwas wirklich Neues hat man schon lange nicht mehr gehört. Doch dann kommt die eine Band daher, die einen wieder begeistert. Die innovativ ist und einem den Spaß an der Musik zurückgibt. „Interiors“ ist bereits das zweite Album von Jullander, einem Quartett aus Hamburg. Schon seit 1996 machen sie zusammen Musik und richten sich dabei nicht nach Trends, sondern entwickeln ihren eigenen Stil. Sie verbinden Easy Listening Jazz mit zarten elektronischen Klängen und sind dabei meist minimalistisch, aber dennoch aufregend neu.
„Interiors“ beginnt mit einem fast ganz instrumentalen jazzigen Intro, um dann mit Martin Luther verliert die Geduld ein Sprechgesang-Stück abzuliefern, das an Teile von Blumfelds Album Ich-Maschine erinnert. Bei „Behind The Scenes“ setzt erst ganz am Schluss englischsprachiger mehrstimmiger Gesang ein. Der Höhepunkt des Albums ist „Der Herr vom Filmressort arbeitet jetzt an der Popcornmaschine“. Herzstück des Liedes ist ein Dialog, der sich mit beruflichen Veränderungen und damit einhergehender Orientierungslosigkeit beschäftigt, aber doch auf small talk-ebene verbleibt. Ein bisschen wie bei „0.30, Gleiches Ambiente“ von den Goldenen Zitronen. Oder vielleicht will das Stück auch etwas ganz anderes aussagen, die Texte von Jullander sind nicht immer eindeutig und greifbar. Eher bildlich, leicht kryptisch, und gerade deswegen so spannend. Wunderbar auch das Titelstück „Interiors“, eine Hommage an Woody Allen. Auf „Interiors“ ist wirklich jeder Song anders und will ganz alleine für sich entdeckt werden.
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